WORUM GEHT'S?

Partizipation

Die Gestaltung von Schulgebäuden beeinflusst maßgeblich das Lernen, das soziale Miteinander und das Wohlbefinden aller Beteiligten. Damit zukunftsfähige Lern- und Lebensorte entstehen, die den Bedürfnissen von Schüler*innen, Lehrkräften und weiteren Nutzer*innen gerecht werden, kommt der Beteiligung im Schulbau eine tragende Rolle zu. Wird die gesamte Schulgemeinschaft sowie die am Schulbau Beteiligten aktiv eingebunden, entstehen Schulgebäude, die über Funktionalität hinaus inspirieren und Identität stiften.

Partizipation

Warum Beteiligung?

  • Zwischen Projektidee, Baubeginn, Fertigstellung und Einzug liegt ein langer Zeitraum – mit vielfältigen Entscheidungen und durchdachten Prozessen. Damit ein auf die Schulgemeinschaft zugeschnittenes Konzept entstehen kann, müssen Bedarfe gleich zu Beginn präzise erhoben werden, sodass sie in die ersten Planungsschritte einfließen. Gängige Musterraumprogramme bieten hierfür keine ausreichende Grundlage: Häufig fehlen Aussagen zu räumlichen Zusammenhängen und zu konkreten Aktivitäten sowie der Blick in die Zukunft. Planungsrelevant sind Festlegungen wie: Welche Nutzungen sind erforderlich? Wer tut was wann wo mit wem? Wie werden sich Funktionen und Nutzungen in Zukunft entwickeln?

  • In mehreren Landesregelungen – etwa in den Schulgesetzen von Berlin, Brandenburg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern – ist die Beteiligung der Schulgemeinschaft bei baulichen Maßnahmen ausdrücklich verankert. Auch auf kommunaler Ebene wird die Einbindung der Nutzer*innen in die Planung von Bauvorhaben berücksichtigt, beispielweise in Köln im Rahmen von „Partizipation von Kindern und Jugendlichen“ am Beispiel des Projekts Bildungslandschaft Altstadt Nord. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wer tatsächliche Bedarfe ernst nimmt, demokratische Bildungsprozesse stärkt und dialogisch plant, schafft Voraussetzungen dafür, bedarfsgerecht, zielorientiert und zugleich effizienter zu bauen.

  • Die Mitwirkung an Planungs- und Gestaltungsprozessen eröffnet zugleich wertvolle Möglichkeiten baukultureller Bildung. In der Auseinandersetzung mit räumlichen Konzepten, Qualitäten und Abläufen von Planungsprozessen entwickeln Schüler*innen, Lehrkräfte und pädagogische Mitarbeiter*innen ein vertieftes Verständnis für die gebaute Umwelt. Diese Erfahrungen schärfen die räumliche Urteilskraft, stärken Gestaltungskompetenzen und fördern ein nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung qualitätvoller Architektur – weit über das konkrete Bauvorhaben hinaus.

  • Unsere Gesellschaft unterliegt raschen Veränderungen: Fragilität, Unsicherheit, nicht-lineare Lebenswege und oftmals vorausgesetzte Flexibilität in sämtlichen Lebenslagen prägen zunehmend den Alltag. Diese Entwicklungen verlangen neue Kompetenzen jenseits klassischer Lerninhalte. Aktuelle Jugend- und Gesellschaftsstudien zeigen zugleich einen Vertrauensverlust in politische Steuerungsfähigkeit – und ein wachsendes Bedürfnis nach Mitgestaltung und gesellschaftlicher Verantwortungs- und Anteilnahme. Schulen sind in diesem Kontext längst mehr als Orte des Lernens: Sie werden zu sozialen Treffpunkten und ganztägigen Lebensräumen.

Beteiligung in der frühen Planung

Am Anfang steht eine kontextbezogene, standortspezifische und fundierte quantitative und qualitative Bedarfsanalyse. Ausgangspunkt hierfür ist ein von einer Vision getragenes pädagogisch-didaktisches Konzept.

Darauf aufbauend definiert die Phase Null (> Handbuch Schulen Planen und Bauen) die Grundlagen, wie sich die Schule entwickeln kann und soll. Sie markiert den inhaltlichen Vorlauf der Projektentwicklung, um eine Schule entlang realer Nutzungsbedarfe präzise planen zu können – in Abstimmung mit städtebaulichen, organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen. In einem moderierten Beteiligungsprozess, gemeinsam mit der Schulgemeinschaft, dem Quartier, Verwaltung und Politik, entsteht ein belastbares inhaltliches und räumliches Konzept.

Phase Null ist immer auch Schulentwicklung und dient der Weiterentwicklung des pädagogischen Konzeptes. Idealerweise wird sie durch ein interdisziplinäres Schulbauberatungsteam bestehend aus den beiden Perspektiven der Planung und Pädagogik moderiert, gesteuert und beraten – stets mit Blick auf die übergreifende Vision.

Aus dem pädagogischen Konzept ergeben sich Leitfragen:

  • Was müssen Räume, Möblierung und Ausstattung leisten, um einen zukunftsfähigen Lern- und Lebensort zu ermöglichen und Kompetenzentwicklung zu unterstützen?

  • Welche Aktivitäten sollen ermöglicht werden?

  • Welche Atmosphären müssen unterschiedlichen Bereichen zugewiesen werden?

Die Beantwortung verlangt einen klar strukturierten und koordinierten Beteiligungsprozess aller Akteur*innen – Nutzer*innen, Planer*innen, Entscheider*innen – auf allen Ebenen. Dieser Prozess ist den Leistungsphasen der HOAI vorgeschaltet. Zwar erfordert dies zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen zu Projektbeginn, doch langfristig trägt es zur Planungssicherheit und Wirtschaftlichkeit bei. Entscheidungen werden nachvollziehbar und Zielvorgaben in einem klar beschriebenen Entwicklungsrahmen ablesbar und messbar gemacht. Am Ende stehen Handlungsempfehlungen mit einem präzisen, projektbezogenen Raum- bzw. Bedarfsprogramm mit Raumzusammenhängen, Nutzungsüberlagerungen und Anforderungen an Raumqualitäten, das eine verlässliche Basis für die weitere Planung bildet und Effizienz, Passgenauigkeit und Zukunftsfähigkeit im Rahmen der Vorgaben sicherstellt.

Zudem gilt es, das Budget klug zu steuern. Wie viele Quadratmeter sind möglich? Worauf kann verzichtet werden? Welche Synergien sind durch Mitnutzung anderer Räume denkbar? Besonders lohnend ist der Blick ins Quartier.

Beteiligung im weiteren Prozess

Beteiligung bleibt über den gesamten Prozess relevant. In der Planungsphase werden gemeinsam mit den Nutzer*innen Varianten diskutiert, priorisiert, weiterentwickelt, unterschiedliche Perspektiven und Belange berücksichtigt und mit Blick auf Nachhaltigkeit bewertet. So finden in regelmäßigen Abständen Nutzer*innen-Workshops zu unterschiedlichen Teilbereichen der Schule statt, die dazu dienen, die Planung voranzubringen und Planungsentscheidungen zu legitimieren. Insbesondere im Hinblick auf die Möblierung, die in der Phase Null noch keine zentrale Rolle spielt, wird auf diese Weise gemeinsam mit der Schulgemeinschaft, den Planer*innen und der kommunalen Verwaltung eine abgestimmte Grundlage für die differenzierte Innenausbau- und Möblierungsplanung erarbeitet.

Auch während der Bauausführung ist Transparenz gegenüber der Schulgemeinschaft unerlässlich. Die Nutzer*innen werden zu Entwicklungen, Änderungen und Fortschritt fortlaufend informiert.

Die Phase Zehn schließlich begleitet die Inbetriebnahme und Aneignung der neuen Lernumgebung sowie deren Evaluation. Sie unterstützt die Schulgemeinschaft dabei, räumliche Potenziale zu entdecken, Möblierung nachzujustieren und das pädagogische Konzept im Zusammenspiel mit Architektur und Einrichtung weiterzuentwickeln.

Beteiligungsformate

Voraussetzung für eine gelingende Partizipation ist eine strukturierte Gremienbildung mit klaren Zuständigkeiten, die über den gesamten Prozess in verschiedenen Formaten zusammenarbeiten.

  • Kommunale Lenkungsrunde: Entscheidet über die strategische Ausrichtung des Prozesses im Hinblick auf Gegebenheiten und Bedarfe, bindet zentrale Entscheidungsträger*innen ein und begleitet den Gesamtprozess kontinuierlich.

  • Nutzer*innen-Workshops: Die schulische Projektgruppe Bau, zusammengesetzt aus Schulleitung, Kollegium und Schüler*innen (im Primarbereich sind die Schüler*innen nicht Teil dieser Projektgruppe, sondern arbeiten separat in kindgerechten Workshops mit zugeschnittenen Fragestellungen) erarbeitet in moderierten, themenbezogenen Workshops die inhaltlichen Grundlagen, bündelt Anliegen der Nutzer*innen und fungiert als Schnittstelle zu den Akteur*innen im Planungsprozess. Hervorzuheben ist, dass die Mitglieder jeweils ihre Nutzer*innengruppe repräsentieren und nicht in persönlicher Funktion mitwirken, sondern als Vertretung ihrer jeweiligen Interessensgruppe.

  • Pädagogische Tage: Pädagogische Tage sind spezielle Fortbildungstage für das gesamte multiprofessionelle Team der Schule, die als wichtiger Motor für die Schulentwicklung dienen. Sie beziehen alle an Schule Beteiligten ein, fördern den Teamgeist, ermöglichen das gemeinsame Entwickeln neuer Konzepte, geben Einblicke in die Planung und definieren Meilensteine.

  • Informationsveranstaltungen für die gesamte Schulgemeinschaft: Transparenz, Dialog und gemeinsames Feiern von Meilensteinen halten die Beteiligung über einen oft langwierigen Prozess hinweg lebendig – auch dann, wenn sich Zuständigkeiten verändern.

Partizipation als Lernanlass

Unterschiedliche Akteur*innen der Schulgemeinschaft einzubeziehen bedeutet zudem, dass Qualität, Identifikation mit dem Ort und Wertschätzung der eigenen Lernumgebung erheblich steigen.
Es wird deutlich, wie Entscheidungen in Entwurfsprozessen zustande kommen, welche Abwägungen und Zielkonflikte dabei eine Rolle spielen und welche fachlichen Perspektiven die unterschiedlichen Beteiligten einbringen. Auf diese Weise entstehen nicht nur Gestaltungskompetenz und räumliche Urteilskraft, sondern auch ein vertieftes Verständnis für die Komplexität von Planungsprozessen sowie eine Wertschätzung der Expertise anderer – eine wesentliche Grundlage für konstruktive Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung im Schulbau.

Partizipation zielt auf nachhaltige und dauerhafte Lösungen – sie führt zu höherer Akzeptanz, einem wertschätzenden Umgang und einer schnellen Aneignung des Ortes. Beteiligung fördert Kompetenzen wie selbstorganisiertes Lernen, Persönlichkeitsbildung und Werteentwicklung.

Beteiligung verlangt Fähigkeiten, die zunächst erlernt und erprobt werden wollen: selbst bestimmtes, wirksames Handeln im sozialen Gefüge, Verantwortungsübernahme für das Gemeinsame und aktive Mitgestaltung. Der Entstehungs- bzw. Veränderungsprozess wird zur persönlichen Erfahrung mit klaren Verantwortlichkeiten und spürbarer Wirkung des eigenen Handelns. So tragen Beteiligte den Ort langfristig mit und übernehmen Verantwortung.

Wichtig ist eine seriöse Partizipation im Sinne von Befähigung und Qualifikation – nicht bloß ein Abfragen von Meinungen. Voraussetzungen sind gewollte Mitverantwortung, Selbstbestimmung und ein Verständnis demokratischer Prozesse. Die Auseinandersetzung mit diesen Kompetenzen im Schulkontext fördert Lernen – fachlich, sozial und kulturell.

Stufen der Beteiligung

Es gibt unterschiedliche Stufen der Beteiligung. Diese lassen sich in informative, konsultative und kooperative Beteiligung kategorisieren. Bei der informativen Beteiligung werden notwendige, zielgruppenspezifische Informationen bereitgestellt und Entscheidungen nachvollziehbar begründet. Die konsultative Beteiligung ergänzt dies um das strukturierte Einholen von Rückmeldungen und durch Befragungen aller Beteiligten. Die kooperative Beteiligung schließlich umfasst das gemeinsame Erarbeiten von zielgruppenorientierten Lösungen auf Basis passender Methoden, klarer Entscheidungswege und transparenter Ergebnissicherung. Beteiligungsprozesse im Schulbau umfassen alle Stufen. Die Workshopgruppe, bestehend aus Schulleitung, Lehrkräften, Schüler*innen (im Sekundarbereich), Eltern, Quartier, Kommune und der moderierenden Prozessbegleitung, ist kooperativ über den gesamten Planungsprozess beteiligt.