In der Phase Null werden die Voraussetzungen und Bedarfe ermittelt, die sich aus dem Standort und dem Programm der jeweiligen Schule ergeben. Die Empfehlungen aus der Phase Null sind die Basis für den späteren Entwurf
Aus der Phase Null hat sich in Kassel als räumliches Organisationsmodell das Cluster herauskristallisiert. Daher besteht die Herausforderung an den Brandschutz darin, die Clusterfläche als eine brandschutztechnische Einheit zu betrachten, in der kein notwendiger Flur abgebildet wird und keine Anforderungen an die inneren Wände und raumbildenden Elemente gestellt werden. Da es sich um große 6er-Cluster handelt, werden für ein Cluster nach Raumprogramm Flächen um 900 m² vorgesehen.
Die Normen und Richtlinien für den Schulbau variieren. Gleichzeitig sind viele geltende Richtlinien überholt. In jedem Projekt ist zu prüfen, wie vorhandene Vorgaben mit den Anforderungen vor Ort am besten zu verbinden sind.
Der Neubau der Offenen Schule Waldau (OSW) ist eine Holzkonstruktion der GK 5 mit großen Lernclustern als brandschutztechnischen Nutzungseinheiten. Damit wird ein aus baurechtlicher Perspektive in vielfacher Weise innovatives Bauwerk mit Vorbildcharakter für zukunftsfähigen Schulbau und CO2-armes Bauen geschaffen. Die feuerwehrspezifischen Anforderungen wie Bewegungsflächen, Angriffspunkt, trockene Steigleitungen etc. wurden zunächst mit der örtlichen Feuerwehr geklärt, damit die ortskundige Expertise bereits zu Beginn in das Brandschutzkonzept mit einfließen konnte. Dieses wurde anschließend mit einem Prüfsachverständigen für Brandschutz abgestimmt und geprüft.
Für die OSW werden Lernbereiche mit einer Größe von bis zu 600 m² ausgebildet. Dabei bilden je zwei Lernbereiche die Fläche eines großen Jahrgangsclusters von etwa 1100 m² mit insgesamt sechs Lernorten, Teamstation und großer offenen Mitte. Jede Teilfläche ist an ein Treppenhaus angegliedert, der zweite Fluchtweg erfolgt über die andere Clusterteilfläche sowie über die Ausgänge auf die Terrassen, die die Rettungswegführung zusätzlich begünstigen. Die F90-Trennung zwischen den beiden Teilbereichen ist mit einer großen Doppeltüranlage ausgestattet, die im Regelfall offensteht.
Die Planung folgt abweichend zur Muster-Schulbaurichtlinie (MSchulbauR) den Grundzügen einer risikogerechten Planung von Clustern und offenen Lernlandschaften aus der Studie Brandschutz im Schulbau für die Planung von neuen Schulraumtypologien.
Die notwendige Transparenz rückt bei den hier geplanten Clustern aus brandschutztechnischer Sicht allerdings in den Hintergrund. Aufgrund der Holzkonstruktion mit sichtbaren Holzoberflächen wird eine Brandmeldeanlage eingeplant, weswegen für die Planung der Cluster einige Erleichterungen geltend gemacht werden können. Für die alleinige Umsetzung der Cluster wäre die Brandmeldeanlage aber nicht erforderlich.
Bei der hier vorliegenden Art der Nutzung als Schulgebäude ist der Nutzerkreis mit dem Gebäude besonders gut vertraut, was die objektspezifische Risikobetrachtung begünstigt. Das gilt bereits für herkömmliche Schulen, bei der sich die Anwesenheit der Schüler*innen, Lehrkräfte und sonstigen Mitarbeitenden auf den Vormittag beschränkt. Bei zeitgemäßen Schulkonzepten, bei denen Schüler*innen den gesamten Tag im Gebäude verbringen und sich das gesamte Gebäude über vielfältige Nutzungen erschließen, trifft diese besondere Vertrautheit in viel höherem Maße zu – ein großer Vorteil im Hinblick auf die Selbstrettung. Dieser Aspekt wird bei mehreren Erleichterungen von Vorgaben mitberücksichtigt.
Die tragenden und aussteifenden Bauteile der OSW werden mit Ausnahme des Untergeschosses in Holzbauweise errichtet. Geplant sind Stützen als Massivholzbauteile sowie eine Holzrippendecke. Die Oberflächen der Bauteile werden nicht gekapselt, sondern bleiben sichtbar.
Damit weicht das Gebäudekonzept von den Vorgaben der Musterschulbaurichtlinie (MSchulbauR, Punkt 2.1) und der Hessischen Versammlungsstättenrichtlinie (H-VStättR, § 3) ab, aus denen sich die Anforderung »feuerbeständig« an die tragenden und aussteifenden Bauteile für ein Gebäude in GK5 ergibt. Mit Ausnahme von Treppenräumen, Installationsschächten und Brandwänden, die in Beton ausgeführt werden, sind alle massiven Holzbauteile mit einem Feuerwiderstand von mindestens 90 Minuten (F90) ausgelegt. Hinsichtlich des Feuerwiderstands der Bauteile ergibt sich damit kein Unterschied zur geforderten Bauart der Bauteile. Der Brennbarkeit der Bauteile bzw. der Bauteiloberflächen wird hier durch die Installation einer flächendeckenden Brandmeldeanlage begegnet.
Einen großen Vorteil für die Selbstrettung in diesem Gebäude stellen die vielen Dachflächen des Gebäudes dar, die von jedem Geschoss aus über zahlreiche Ausgänge erreicht werden können und über Außentreppen mit dem umliegenden Gelände verbunden sind. Zur Unterstützung des Löschangriffs werden zudem trockene Steigleitungen auf den Dachflächen vorgesehen.
Die nichttragenden Außenwände werden in vorgefertigter Holzrahmenbauweise realisiert. Darin sind Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen verarbeitet, die brennbar sind. Das ist zulässig, weil die vorgefertigten Holzrahmen nach außen und innen mit einer nichtbrennbaren Platte versehen werden. Die Außenwandbauteile sind somit als feuerhemmend einzustufen und erfüllen die Vorgaben nach Landesbauordnung (baurechtlicher Bezug: HBO §29 (1) und HBO §31 (2)).
Die OSW wird mit einem zentralen geschossübergreifenden Atrium geplant. Dieses Forum dient der täglichen Erschließung und wird auch für Veranstaltungen der Schule genutzt. Die Treppe zwischen EG und 1. OG wird in diesem Sinne als Sitztreppe geplant. Auch von den Galerien aus sollen Zuschauer*innen an Veranstaltungen im EG teilnehmen können. Die Größe des Forums beträgt 2600 m² verteilt auf drei Geschosse.
Wegen seiner Größe von mehr als 1000 m² und der Mehrgeschossigkeit wird das Forum baurechtlich als Versammlungsstätte eingestuft, aufgrund der Holzbaukonstruktion werden jedoch nicht alle Auflagen aus der Hessischen Versammlungsstättenrichtlinie (H-VStättR) erfüllt. Das wird damit begründet, dass das Forum keine typische Versammlungsstätte ist, sondern ausschließlich sporadisch für schulbetriebsbezogene Veranstaltungen mit größtenteils ortskundigen Personen genutzt wird.
Die Abweichungen betreffen insbesondere die Brennbarkeit der Baustoffe. So werden abweichend von der H-VStättR die tragenden und aussteifenden Bauteile (H-VStättR § 3 (1)), die nichttragenden Außenwände der mehrgeschossigen Halle (H-VStättR § 3 (2)) sowie auch Bekleidungen und Unterdecken im Versammlungsraum (H-VStättR § 5) mit normalentflammbaren und teilweise mit brennbaren Dämmstoffen erstellt. Das gesamte Gebäude ist als Holz-hybrid-Konstruktion mit sichtbaren Holzoberflächen ausgeführt. Das brandschutztechnische Risiko wird durch das Brandverhalten von Baustoffen in den Bekleidungen und Unterdecken nicht maßgeblich erhöht, da auch die unbekleideten Bauteiloberflächen brennbar sind.
Außerdem wird abweichend von der H-VStättR (H-VStättR § 20 (2))keine Lautsprecheranlage erstellt, mit der „im Gefahrenfall Besucher, Mitwirkende und Betriebsangehörige alarmiert und Anweisungen erteilt werden können“, weil das Forum größtenteils von ortskundigen Personen genutzt wird.
Das Gebäude wird zentral in der Nord-Süd-Achse durch eine Brandwand in zwei Brandabschnitte mit unregelmäßiger Geometrie unterteilt. Beide Bereiche überschreiten in Teilen die maximal zulässigen Dimensionen nach Hessischer Bauordnung und nach Musterschulbaurichtlinie:
Brandabschnitt 1 (West): ca. 88 m x 57 m (unregelmäßige Geometrie) – ca. 3.600 m²
Brandabschnitt 2 (Ost): ca. 65 m x 61 m (unregelmäßige Geometrie) – ca. 3.100 m²
Gemäß Landesbauordnung (HBO § 33 (2)) dürfen die Brandabschnitte in ausgedehnten Gebäuden maximale Dimensionen von 40 m x 40 m aufweisen. Als Sonderbau Schule sind innere Brandwände gemäß Musterschulbaurichtlinie (MSchulbauR 2.2) in Abständen von nicht mehr als 60 m anzuordnen.
Die Planung wird dennoch als risikogerecht bewertet, weil die Flächen der Brandabschnitte die maximal mögliche zulässige Brandabschnittsfläche gemäß den Vorgaben der MSchulbauR (60 m x 60 m = 3.600 m²) nicht überschreitet.
Als Erleichterung wird zusätzlich geltend gemacht:
die vielen Gebäudezugänge und offen gestaltete Bereiche bieten günstige Voraussetzungen für einen wirksamen Löschangriff;
wegen der aus Gründen des Holzbaus geplanten flächendeckenden Brandmeldeanlage (Kategorie 1) ist von einer frühzeitigen Alarmierung der Feuerwehr auszugehen;
die weitere Unterteilung der Brandabschnittsfläche durch EI90 Trennwände (Cluster/Teilnutzungseinheiten).
Zu Beginn der LPH3 wurde überschläglich geprüft, ob durch den Einsatz einer Löschanlage (Sprinklerung) mehr räumliche Offenheit innerhalb des Schulgebäudes erreicht werden kann. Als Vorbild stehen skandinavische Schulbautypen als offene Lernlandschaften, die häufig mit einer Löschanlage ausgestattet sind. Eine konkrete Frage war, ob mit Löschanlage die F90-Abtrennung zwischen Cluster und Forum entfallen, bzw. in leichterer Bauweise ausgeführt werden kann. Aufgrund des Holztragwerks wurden dabei Ergebnisse einer laufenden Verbundstudie betrachtet, in welcher brandschutztechnische und baurechtliche Grundlagen für eine erweiterte Anwendung des Holzbaus erforscht werden (TIMpuls Verbund). In Anlehnung an diese Studie wären mit einer Löschanlage folgende Vorteile für die OSW-Planung denkbar:
Vergrößerung der brandschutztechnischen Einheiten bis 1600 m² (dadurch wäre ggf. der Entfall von Clustertrennwänden möglich – nicht aber der Entfall zwischen Forum und Cluster)
Entfall der brandschutztechnischen Bekleidung von Holzbauteilen (sichtbare Holzoberflächen)
ggf. Möglichkeit der Verwendung brennbarer Dämmstoffe
Abminderung von Feuerwiderstandsanforderungen (Trennwände/Decken)
Verwendung von Brandschutzvorhängen anstelle von Trennwänden (Sprinklerung/Kühlung kann fehlendes Wärmedämmkriterium ersetzen)
Dabei ist jedoch zu beachten:
Die Studie bezieht sich nicht auf den Sonderbau Schule. Die Ergebnisse lassen sich daher nur bedingt übertragen.
Die Limitierung der brandschutztechnischen Einheiten bei 1600 m² schafft keinen Mehrgewinn an Offenheit zwischen Forum und Cluster.
Für das mehrgeschossige Atrium wäre wegen der Höhe eine Sprinklerung nicht ausreichend. Es würde eine Sprühflutanlage benötigt.
Für eine Sprinklerung würden zusätzlich Technikflächen von min 100 m² benötigt. Für eine Sprühflutanlage – wegen des größeren Tanks – entsprechend mehr.
Eine Löschanlage würde nicht zur Rauchfreiheit von Bereichen führen und verbessert die Rettungswegsituation vor allem für die Selbstrettung somit nicht.
Im Ergebnis wurde eine Sprinklerung als technische Kompensation für einen Mehrgewinn an Offenheit in dem Projekt nicht weiterverfolgt.
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