SOS WEIMAR

Sanitärräume

Kriterien für alle Planungsentscheidungen zu diesem Thema:

Ergebnisse Phase Null

Welche Empfehlungen aus der Phase Null liegen den Entscheidungen zugrunde?

In der Phase Null werden die Voraussetzungen und Bedarfe ermittelt, die sich aus dem Standort und dem Programm der jeweiligen Schule ergeben. Die Empfehlungen aus der Phase Null sind die Basis für den späteren Entwurf.

Für die Lerncluster sind eigene WCs geplant. An zentraler Stelle soll außerdem eine Pflegedusche angeordnet werden.

Normen & Richtlinien

Welche Rahmenbedingungen gelten für das Projekt und wie werden sie gelöst?

Die Normen und Richtlinien für den Schulbau variieren. Gleichzeitig sind viele geltende Richtlinien überholt. In jedem Projekt ist zu prüfen, wie vorhandene Vorgaben mit den Anforderungen vor Ort am besten zu verbinden sind.

Geschlechterneutrale WC-Anlagen

Unisex-Toiletten tragen dazu bei, dass WC-Räume sich nicht zu Orten der Ausgrenzung und Diskriminierung entwickeln. Diese Forderung ergibt sich auch aus der Änderung des Personenstandsgesetzes (PStG), welche die Möglichkeit bietet, den Geschlechtseintrag im Geburtenregister offenzulassen oder mit divers anzugeben (§ 22 Absatz 3 PStG und § 45b PStG). Damit stehen die Richtlinien für die Sanitärplanung wie Versammlungsstättenverordnung, die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR), VDI, DIN und in diesem Fall die Thüringer Schulbauempfehlungen (SchulbauEmpfTH) in direktem Widerspruch zur Gesetzeslage, da sie weiterhin für Schulen eine Trennung nach zwei Geschlechtern fordern – und darüber hinaus auch zwischen Kindern und Erwachsenen. »WC-Anlagen sind für Schüler und Lehrer sowie nach Geschlechtern getrennt anzulegen« (SchulbauEmpfTH). Es werden bauliche Innovationen benötigt, um diesen Widerspruch aufzulösen.

Um dem grundsätzlichen Bedürfnis nach Privatheit am besten zu entsprechen, sind in Weimar die WC-Räume familiärer organisiert. Das heißt, sie sind näher und direkter den jeweiligen Lernbereichen zugeordnet und als Einzeltoilettenräume mit eigenem Waschbecken ausgeführt. Zwischen Erwachsenen und Kindern wird nicht differenziert und auch alle barrierefreien Bäder können von allen genutzt werden.

Toiletten und Vorraum

Nach ASR benötigen Toilettenräume einen vollständig abgetrennten Vorraum, um das Überströmen geruchsbelasteter Luft zu vermeiden. Auch für Einzeltoiletten ist ein Vorraum vorgeschrieben, wenn der unmittelbare Zugang zum Toilettenraum aus einem Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts-, Wasch-, Umkleide- oder Erste-Hilfe-Raum führt (ASR A 4.1 Sanitärräume, Bereitstellung 5.2 (2)). In sozialräumlicher Hinsicht dient der distanzschaffende Zwischenraum dem Bedürfnis nach Privatheit, vermindert aber auch die soziale Kontrolle. Ein guter Mittelweg findet sich in Schulen in den Niederlanden und Dänemark, in denen dieser Vorraum nicht abgeschlossen ist, sondern eine (teiloffene) Zwischenzone darstellt. Diese kann auch eine Doppelfunktion, z. B. als Trinkbrunnen-Station, aufnehmen.

Die WCs sind den Lernlofts direkt zugeordnet und der Zugang in den Clusterflächen erfolgt von den Garderobenbereichen. Dadurch wird kein eigener Vorraum benötigt und die Fläche wird durch die Garderobe doppelt genutzt. Damit ermöglichen die Einzel-WCs auch eine wirtschaftliche Grundrissorganisation.

Anzahl der Toiletten

Für die Ermittlung der Anzahl von WCs liegen verschiedene Richtlinien mit unterschiedlicher Bindungskraft vor, die darüber hinaus zu ganz uneinheitlichen Ergebnissen führen.

  • ASR A4.1 Sanitärräume, (5) Tabelle 2: Bezieht sich nicht konkret auf Schulen, sondern allgemein auf Arbeitsstätten. Das berechnete Ergebnis verändert sich dynamisch mit der Anzahl der Bezugspersonen und differenziert zwischen unterschiedlicher Gleichzeitigkeit der Nutzung.

  • VDI 6000 Blatt 6, Tabelle 2: Schulbezogen. Kindern werden weniger Toiletten zugedacht als Erwachsenen. Unterscheidung zwischen »Pausentoiletten« und »Stundentoiletten«. Berechnung nach festen Proportionen von WC-Anzahl zu Nutzerinnen und Nutzern. Je 25 Schülerinnen und Schülern ein WC, je 20 Lehrerinnen und Lehrern ein WC.

  • SchulbauEmpfTH, 8. Sanitäranlagen: Schulbezogen. Kindern werden nur halb so viele Toiletten zugewiesen wie Erwachsenen. Berechnung nach festen Proportionen von WC-Anzahl zu Nutzerinnen und Nutzern. Je 20 Schülerinnen und Schüler ein WC, je 10 Lehrerinnen und Lehrern ein WC.

Die schulbezogenen Empfehlungen machen den Zusammenhang von Berechnungsprinzip und zugrundeliegendem Schulverständnis besonders deutlich. Denn konventionell sind Schultoiletten als Pausentoiletten gedacht, als große Sammelbatterien in räumlicher Nähe zu den Pausenflächen. In Abgrenzung dazu führt die VDI immer noch den Begriff der »Stundentoilette« auf, welche – da als Ausnahme gedacht – in geringerer Zahl und geschossweise ergänzend angeordnet ist. Im Zuge veränderter Rhythmisierung des Schullebens kann grundsätzlich von einer geringeren Gleichzeitigkeit der Nutzung ausgegangen werden als bei den konventionellen Pausentoiletten.

Aus Gründen der Barrierefreiheit werden im Schulbau heute die WC-Ablagen meistens geschossweise verteilt, sind aber weiterhin zentralisiert in der Nähe der Treppenräume bzw. Ausgänge angeordnet. Um den »familiären« Charakter und die soziale Kontrolle von WCs zu stärken, sollten Toiletten noch dezentraler und direkt an die Lernbereiche angegliedert werden. Das hat jedoch zur Folge, dass die Berechnung der Anzahl auf der Grundlage von kleineren Nutzergruppen erfolgt und in der Summe – je nach gewählter Berechnungsgrundlage – zu einer höheren Anzahl an benötigten WCs führen kann.

Weil die WCs in Weimar direkt den Lernclustern zugeordnet sind, wird mit der Stadt eine Berechnung nach VDI vereinbart, da diese bei kleineren Bezugsgrößen zu einer vergleichsweise geringeren Anzahl an benötigten WCs führt. Nach Geschlecht wird nicht unterschieden. Urinale entfallen und es wird die Berechnung für Mädchen zugrunde gelegt.

Berechnungsbeispiel der Anzahl an Unisex-WCs analog VDI

Lernhäuser

9 Stammgruppen mit jeweils 25 Schülerinnen und Schüler (SuS)
Annahme: 12 Lehrerinnen und Lehrer (LuL)
9 × 25 + 12 = 237 Personen

VDI-Mittelwert: 1 pro 20–30 → 25
SuS 237 ÷ 25 = 10 WCs Unisex

→ Je drei WCs pro Etage, dem Cluster zugeordnet, davon 1 barrierefrei
→ zzgl. 1 Pflegebad im 1. OG vom Windfang aus erreichbar

Wegen der unterschiedlichen Nutzung unterscheiden sich Anzahl und Ausstattung der WCs im Gemeinschaftshaus von denen der Lernhäuser.

Gemeinschaftshaus

Personen gleichzeitig im Haus:
100 Personen Essen
75 Personen Fachbereich Kunst und Werken
20 Lehrkräfte und Verwaltung
100 + 75 + 20 = 195 Personen

VDI-Mittelwert: 1 pro 20–30 SuS → 25
195 ÷ 25 = 8 WCs Unisex

→ davon 1 WC barrierefrei und 1 als Pflegebad

Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Berechnungswege zeigt, dass mit der VDI-Berechnung eine auf das Lernhaus bezogen vergleichsweise niedrige Anzahl an benötigten WCs ermittelt wird. Auf die gesamte Schule bezogen wird jedoch eine Anzahl an WCs realisiert, die sogar die hohen ­Vorgaben der SchulbauEmpfTH übertrifft.

Gestaltung

Welche ästhetischen, kulturellen und gestalterischen Aspekte prägen das Konzept?

Gestaltung ist eine zentrale Qualität im Schulbau. Sie hängt wie der gesamte Entwurf eng mit den Anforderungen und dem Programm zusammen. Und sie kann hochwertig sein, ohne mehr zu kosten als eine "Standardlösung".

Es geht darum, das grundlegende Bedürfnis nach Privatheit, das mit der WC-Nutzung verbunden ist, zu erfüllen. Die Toilette soll als Wohlfühlort wahrgenommen werden, deren ästhetischer Ausdruck nicht primär durch Robustheit und Vandalismus-Sicherheit geprägt ist.

Referenzen

#Gemeinsamer Vorraum mit Waschinsel: Herzog-Ulrich-Grundschule, Lauffen am Neckar (D), Coastoffice, 2008 #Offene Vorräume: St. Nicolaaslyceum, Amsterdam (NL), DP6 Architectuurstudio, 2012 #Einzeltoiletten mit teiloffenem Vorbereich: Erweiterung Munkegaard Skole, Gentofe (DK), Dorte Mandrup, 2009

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