SOS WEIMAR

Brandschutz

Transparenz und Übersichtlichkeit: Pädagogische Anforderungen decken sich mit den Zielsetzungen des Brandschutzes

Kriterien für alle Planungsentscheidungen zu diesem Thema:

Ergebnisse Phase Null

Welche Empfehlungen aus der Phase Null liegen den Entscheidungen zugrunde?

In der Phase Null werden die Voraussetzungen und Bedarfe ermittelt, die sich aus dem Standort und dem Programm der jeweiligen Schule ergeben. Die Empfehlungen aus der Phase Null sind die Basis für den späteren Entwurf.

Aus der Phase Null hat sich in Weimar als räumliches Organisationsmodell das Cluster herauskristallisiert. Daher besteht die Herausforderung an den Brandschutz darin, die Clusterfläche als eine brandschutztechnische Einheit zu betrachten, in der kein notwendiger Flur abgebildet wird und keine Anfor­derungen an die inneren Wände und raumbildenden Elemente gestellt werden.

Normen & Richtlinien

Welche Rahmenbedingungen gelten für das Projekt und wie werden sie gelöst?

Die Normen und Richtlinien für den Schulbau variieren. Gleichzeitig sind viele geltende Richtlinien überholt. In jedem Projekt ist zu prüfen, wie vorhandene Vorgaben mit den Anforderungen vor Ort am besten zu verbinden sind.

Raumorganisation von Clustern und offenen Lernlandschaften: Argumentationsstrategie im Brandschutznachweis

Die aktuellen Schulbaurichtlinien basieren auf dem räumlichen Verständnis von Klassenraum-Flur-Schulen und lassen sich daher nicht ohne weiteres auf neue Raumtypologien wie Cluster und offene Lernlandschaften anwenden. Dabei widersprechen diese den Zielen des Brandschutzes im Grundsatz nicht.

Mit der Studie Brandschutz im Schulbau liegt seit 2017 ein Leitfaden vor, wie neue Schulraumtypologien im Einklang mit den Zielen des Brandschutzes konzipiert werden können. Sie liefert eine Argumentationsgrundlage für baurechtliche Prüfungen im Einzelfall. Grundzüge einer risikogerechten Planung von Clustern und offenen Lernlandschaften nach dieser Studie sind:

  • Lernbereiche werden mit einer maximalen Fläche von 600 m² als risikogerecht eingestuft.

  • Jeder Lernbereich benötigt in jedem Geschoss zwei voneinander unabhängige bauliche Rettungswege.

  • Der zweite Rettungsweg darf auch über einen benachbarten Lernbereich oder eine Halle führen, wenn die Zugänglichkeit zu jedem Zeitpunkt gewährleistet ist (Türen in Fluchtrichtung nicht abschließbar).

  • In einem Lernbereich beträgt die maximale Distanz zum ersten Rettungsweg 35  m, gemessen in der Luftlinie. Zusätzlich muss von jeder Stelle des Lernbereichs ein Ausgang in 25  m Lauflänge erreichbar sein (Überprüfung mit rechtwinkligem Dreieck von 25  m Kantenlänge). Die Abstände zwischen den unterschiedlichen Ausgängen untereinander sollen nicht weniger als die Hälfte der Raumdiagonalen betragen.

  • Innerhalb eines Lernbereiches sind gute Sichtbeziehungen zwischen den einzelnen Raumbereichen erforderlich.

Für die Schule in Weimar wird ein genehmigungsfähiges Gebäudekonzept mit einem Brandschutznachweis erstellt, welcher diese Studie anstelle der geltenden Schulbaurichtlinie als Beurteilungsgrundlage verwendet. Auch wenn der Prüfbericht aus formalen Gründen dem generellen Abweichen von der geltenden ThürSchulBauR nicht zustimmt, bestehen seitens der Brandschutzprüfung keine Bedenken zur Erteilung der Baugenehmigung.

Sichtbeziehungen in Clustern und offenen Lernlandschaften

Lerncluster und offene Lernlandschaften erfordern aus pädagogischen Gründen gute Sichtbeziehungen innerhalb der Lernbereiche. Trennende Elemente sind daher vorwiegend mit einer hohen Transparenz für gute Sichtbeziehungen gestaltet. Die hohe Transparenz ist somit eine Anforderung der Pädagogik, welche auch dem Brandschutz dient. Sie ermöglicht eine frühzeitige Branderkennung und Brandmeldung. (Pädagogische Gründe für offene Lernbereiche: Allgemeine Lernbereiche)

Für die Brandschutzsystematik ist es nicht erforderlich, dass von jeder Lern- und Arbeitsposition ein Brandereignis innerhalb des Lernbereichs frühzeitig erkannt werden kann, sondern von einem Teil der üblichen Lern- und Arbeitspositionen aus. Es ist vertretbar, dass für einen Teil der Nutzerinnen und Nutzer keine Sichtbeziehung zwischen den einzelnen Bereichen besteht, wenn davon ausgegangen werden kann, dass weitere Personen im selben Raum ein Brandereignis frühzeitig erkennen können.

In Weimar stehen die Stammgruppenbereiche der Lerncluster in offener Verbindung zur Mitte. Eine Raumteilung wird mittels Glaswänden, Möbeln und beweglichen Vorhängen vorgenommen. Da die Sichtverbindungen eine wesentliche Voraussetzung für die Brandschutzsystematik ist, werden die Vorhänge so gestaltet, dass sie einen Raumbereich nie allseitig abschirmen können. Im konkreten Fall bildet eine Vorhangschiene eine umlaufende Bahn um einen Stammgruppenbereich, der Vorhang wird in der Breite jedoch so dimensioniert, dass er nie zwei Seiten gleichzeitig vollständig abdecken kann. Damit wird sichergestellt, dass der offene Charakter und der gemeinsame Wahrnehmungsbereich des Lernclusters auch bei maximal geschlossenen Vorhängen bestehen bleibt.

Zusätzliche Anforderungen des Arbeitsschutzes (ASR)

Ein Brandschutzgutachten entwickelt und prüft Raumkonzepte auf Grundlage der baurechtlichen Brandschutzvorgaben. Durch den Arbeitsschutz kommen jedoch weitere Vorgaben hinzu, die in der Planung eingehalten werden müssen. So werden insbesondere Anforderungen an Fluchtwege und Notausgänge weiter konkretisiert (ASR 2.3 Fluchtwege und Notausgänge). Zu beachten ist außerdem, dass gefangene Räume nach ASR 2.3, Punkt 3.4 und Punkt 6 (10) in der Systematik eines Clusters nicht existieren. Für Abtrennungen innerhalb eines Clusters sind gute Sichtbeziehungen wesentlich.

Zusammenhang Schulbaurichtlinie und Anforderungen an den Brandschutz der tragenden Bauteile

Aus der Musterschulbaurichtlinie (MschulbauR) ergeben sich trotz unterschiedlicher Formulierungen in der Regel keine höheren Anforderungen an die tragenden und aussteifenden Bauteile eines Gebäudes gegenüber der Musterbauordnung (MBO) (MschulbauR 2.1 Tragende und aussteifende Bauteile; MBO §2 Begriffe; MBO §26 Allgemeine Anforderungen an das Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen).

  1. Nach MschulbauR müssen die tragenden und aussteifenden Bauteile aller Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m die Anforderungen der Gebäudeklasse 3 – also feuerhemmend – erfüllen. Damit ergibt sich eine höhere Anforderung durch die MschulbauR gegenüber MBO allein für Gebäude der Gebäudeklasse 1 (GK 1). Denn Gebäude der GK 2 müssen bereits nach MBO feuerhemmend erstellt werden.

  2. Gebäuden über 7 m weist die MschulbauR die Anforderungen der GK 5 zu – also feuerbeständig –, allerdings wird diese Zuordnung im Folgesatz der Richtlinie für Gebäude bis 13 m und einer Geschossfläche bis 400 m² bzw. Abschnitten dieser Größe eingeschränkt. Diese sind in hochfeuerhemmender Bauart zulässig, was daher im Wesentlichen den Anforderungen der GK 4 nach MBO entspricht. Die beiden Texte verwenden jedoch unterschiedliche Begrifflichkeiten für die Reglementierung durch die Fläche: Die MBO definiert als maximale Fläche »Nutzungseinheiten« von 400 m², während die MschulbauR »Geschossflächen« bzw. »Abschnitte« von 400 m² anführt. Diese unterschiedliche Formulierung kann im Einzelfall zu einer unterschiedlichen Auslegung führen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Studie »Brandschutz im Schulbau« die Zuordnung zu den Gebäudeklassen deutlich vereinfacht. Für Schulgebäude wird keine andere Risikobewertung hinsichtlich der Abhängigkeit von Gebäudeklasse und Brandschutzanforderung an tragende und aussteifende Gebäudeteile als für Standardgebäude erkannt. Außerdem wird festgestellt, dass eine Reglementierung der Fläche auf 400 m² in der GK 4 zur Wahrung der Schutzziele nicht erforderlich ist.

Nach der Studie ist eine Bauart risikogerecht, wenn die Anforderungen an das Tragwerk von Gebäuden bis 7 m der GK 3 (feuerhemmend), bis 13 m der GK 4 (hochfeuerhemmend) und darüber der GK 5 (feuerbeständig) entsprechen.

Aufgrund einer anderen Auslegung der Begrifflichkeiten in der MschulbauR wird die Zuordnung der Gebäude der Schule in Weimar in Brandschutzkonzept und Brandschutzprüfung unterschiedlich betrachtet. Das Brandschutzkonzept stuft die Gebäude aufgrund seiner Höhe und seiner geschossgroßen Lerneinheiten von unter 400 m² in die GK 4 ein. Die Brandschutzprüfung ordnet die Gebäude der GK 5 zu, weil sie jeweils das gesamte Geschoss misst, welches in seinen Außenmaßen über 400 m² groß ist. Mit Verweis auf die in Thüringen eingeführte ThürSchulbauR, wird in dem Prüfbericht die Erstellung des Gebäudes in hochfeuerhemmender Bauart daher formal als Abweichung gewertet, als solcher aber zugestimmt.

Zusammenhang Gebäudeklasse und Raumhöhen

Die Einstufung eines Gebäudes in eine Gebäudeklasse erfolgt vor allem aufgrund der Gebäudehöhe. Der Grenzwert der Höhe ergibt sich aus der maximalen Länge von tragbaren Rettungsleitern der Feuerwehr. Allerdings wird für den Schulbau bereits ein zweiter baulicher Rettungsweg gefordert, damit die Räumung vor Eintreffen der Feuerwehr bereits abgeschlossen ist.

Als Grenzwert der GK3 ist die Höhenlage des obersten, für Aufenthaltsräume nutzbaren Fußbodens mit 7 m festgelegt. Bei einer lichten Raumhöhe bis 3 m entspricht das der Höhe des 2. OG. Für die tiefen Raumflächen von offenen Lernclustern und Lernlandschaften sind jedoch im Sinne guter Raumproportionen und Lichtverhältnisse höhere Räume sinnvoll. Das führt aber dazu, dass Gebäude mit zwei Obergeschossen bereits der GK 4 zugeordnet werden, obwohl sich durch die veränderte Höhe keine grundlegend andere Brandschutzgefährdung ergibt. Mit der höheren GK entstehen wiederum höher Anforderungen an die tragenden Bauteile (GK 3: feuerhemmend; GK 4: hoch[1]feuerhemmend.)

Bei den Gebäuden in Weimar wurde zugunsten einer höheren Raumhöhe die Einstufung in eine höhere GK in Kauf genommen. Der Grenzwert von 7 m wird mit der Gebäudehöhe von 8 m um nur einen Meter übertroffen. Das hat die Wahl des Tragwerks entscheidend beeinflusst. Der Wunsch nach einem Holztragwerk mit sichtbaren Oberflächen (feuerhemmend, bis GK 3 möglich) konnte aus diesem Grund nicht weiterverfolgt werden.

Erstellen und Prüfen von Brandschutznachweisen

Die Zuständigkeiten für die Erstellung und Prüfung von Brandschutznachweisen nach §66 MBO ist in den verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt (#Baunetzwissen/Brandschutznachweis). In Thüringen ist für Sonderbauten eine Prüfung des Brandschutznachweise durch Prüfingenieure für Brandschutz oder die Bauaufsichtsbehörde erforderlich. In Vorbereitung der Baugenehmigung wurde das Brandschutz mit den Prüfingenieuren abgestimmt, dennoch werden in dem Prüfbericht zur Baugenehmigung Auflagen vorgegeben, die von der beabsichtigten Planung abweichen. Dies betrifft insbesondere die Balkonkonstruktion, welche die Lernlofts umgeben. Aus wirtschaftlichen Gründen ist diese als materialsparende Konstruktion mit offenen Gitterrosten als tragende Schicht gedacht, welche keine weitere Entwässerung benötigt. Aus Sicht der Prüfingenieure jedoch darf dieses Material nicht durchlässig sein, um einen Brandüberschlag von Geschoss zu Geschoss zu verhindern.

Fassadenbepflanzungen und Brandlasten

Bei Bepflanzungen und Berankungen von Balkonen und Fassaden ist darauf zu achten, dass sie keine Brandausbreitung über die Geschosse begünstigen. Besonders die Bildung und Ansammlung von Totholz soll vermieden werden (Fachausschuss vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der deutschen Feuerwehren »Brandschutz großflächig begrünter Fassaden«). Außerdem darf dichtes Ast- und Blattwerk eine geplante Entrauchung nicht beeinträchtigen. Bei dem Projekt in Weimar dienen die umlaufenden Balkone als erweiterte Lernflächen. Bepflanzungen der Balkone sollen die Möglichkeiten für Lehr- und Projektarbeit erweitern und die Wohnlichkeit der Cluster erhöhen.

Wirtschaftlichkeit

Wie werden die spezifische Anforderungen im Projekt wirtschaftlich und nachhaltig gelöst?

Kosteneffizienz ist für jeden Schulbau ein wichtiges Ziel. Dabei gibt es viele Wege, um Wirtschaftlichkeit im Projekt und entlang der Anforderungen zu realisieren.

Technische Kompensationsmaßnahmen vermeiden

Dem Wunsch nach offenen Raumzusammenhängen steht ein finanzieller Aufwand für Investition und Betrieb von technischen Kompensationsmaßnahmen wie eine Brandmeldeanlage oder auch ein Sprinklersystem gegenüber. In Weimar kann wegen einer einfachen Raumstruktur mit kleinen Gebäudekörpern und voneinander getrennten Geschossen der Brandschutz rein baulich umgesetzt werden. Eine Brandmeldeanlage oder andere technische Maßnahmen sind für die Lerncluster nicht notwendig.

Wenige versiegelte Flächen für die Feuerwehr

An Zufahrten und Bewegungsflächen für die Feuerwehr bestehen hohe Anforderungen bezüglich Festigkeit und Dimensionierung (Muster-Richtlinien über Flächen für die Feuerwehr). Diese Flächen sind daher mit hohen Investitionskosten verbunden und verringern außerdem den Anteil an versickerungsfähigen Flächen eines Grundstücks.

In dem Außenraumkonzept in Weimar ist die Aufstellfläche für die Feuerwehr gleichzeitig die zentrale Veranstaltungsfläche der Schule. Die Breite von 7 m ergibt sich direkt aus den Vorgaben der Richtlinie (Muster-Richtlinien über Flächen für die Feuerwehr, 13 Bewegungsflächen). Von diesem befestigten Platz aus sind die Haupteingänge aller drei Häuser innerhalb eines Radius von 50 m zu erreichen (Muster-Bauordnung, Zweiter Teil, § 5 Zugänge und Zufahrten auf den Grundstücken). So kann auf weitere Feuerwehrflächen auf dem Grundstück verzichtet und das gesamte Schulgelände mit wenig versiegelter Fläche erschlossen werden. (Außenraum)

(Vgl. allgemein: Brandschutz im Schulbau – Neue Konzepte und Empfehlungen, hg. von Bund Deutscher Architekten, Deutsche Bundesstiftung Umwelt, Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Technische Universität Kaiserslautern, Unfallkasse NRW, Verband Bildung und Erziehung, Berlin/Bonn/Düsseldort/Kaiserslautern/Osnabrück 2017)

Projektstorys und Planschrank

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