SOS WEIMAR

Erschließung

Kriterien für alle Planungsentscheidungen zu diesem Thema:

Ergebnisse Phase Null

Welche Empfehlungen aus der Phase Null liegen den Entscheidungen zugrunde?

In der Phase Null werden die Voraussetzungen und Bedarfe ermittelt, die sich aus dem Standort und dem Programm der jeweiligen Schule ergeben. Die Empfehlungen aus der Phase Null sind die Basis für den späteren Entwurf.

Die Erschließungsflächen innerhalb der Cluster werden als Teil der multifunktionalen Fläche der pädagogischen Mitte genutzt. Darüber hinaus war die Erschließung in Weimar kein Thema der Phase Null und wurde erst in den weiteren Leistungsphasen im Zusammenhang mit der Grundrissentwicklung betrachtet.

Normen & Richtlinien

Welche Rahmenbedingungen gelten für das Projekt und wie werden sie gelöst?

Die Normen und Richtlinien für den Schulbau variieren. Gleichzeitig sind viele geltende Richtlinien überholt. In jedem Projekt ist zu prüfen, wie vorhandene Vorgaben mit den Anforderungen vor Ort am besten zu verbinden sind.

Hauseingangstüren und Barrierefreiheit

Türen und insbesondere Hauseingangstüren sollten so beschaffen sein, dass sie von allen Kindern einfach zu öffnen sind – das ist auch eine Vorgabe der Barrierefreiheit. Transparente Hauseingangstüren haben jedoch wegen der hohen Anforderungen an den Wärmeschutz oft einen mehrschichtigen Glasaufbau und können daher entsprechend schwer werden. Zum Erreichen der nutzbaren Mindestbreite von 1,20 m als Fluchtwegtür nach MSchulbauR bzw. nach den Technischen Regeln für Arbeitsstätten (MSchulbauR 3.4 Breite der Rettungswege/ASR 2.3 Fluchtwege und Notausgänge 5(3)) können diese Türen barrierefrei nach aktuellem Stand der Technik daher nur als zweiflügelige Anlage oder mit einem automatischen Türsystem ausgeführt werden. Geprüfte Systeme für einflügelige Türen mit Obentürschließer der Bedienklasse 3 enden in der Regel bei der maximalen Breite von 1,25 m (max. Bedienkraft und -moment von 25N, Klasse 3 nach DIN EN 12217/DIN 18040-1 4.3.3.3 Anforderungen an Türkonstruktionen).

Bei der Schule in Weimar waren für die Eingangstüren (Windfangtüren) zu den Clustern aus gestalterischer Sicht zunächst größere Türformate vorgesehen, welche den Eingang durch ihre Abmessungen visuell markieren.

Zugunsten der Leichtgängigkeit wurden die Türflügel in der LPH 5 auf ein Mindestmaß reduziert und die Eingänge als zweiflügelige Anlage mit Standflügel und Gangflügel ausgebildet. (Lichtes Maß Gangflügel > 90 cm Breite/lichtes Maß Gesamttür >120 cm Breite).

Für breitere Türformate wären aus Gründen der Barrierefreiheit elektrisch betriebene Türöffner erforderlich, die aber als wenig bedienfreundlich für die Dauernutzung im Alltag gesehen und auch wegen des Low-Tech-Ansatzes des Projektes nicht gewünscht sind. Bzw. es wurden keine Anbieter gefunden, die eine Aluminium-Glas-Rahmentür mit einer lichten Breite von 120 cm innerhalb der Bedienklasse 3 (max. 25N) anbieten konnten. Die verfügbaren Produkte ermöglichen ein Türaußenmaß von 125 cm, was die erforderliche lichte Breite von 120 cm nach Abzug der Türstärke und der Beschläge deutlich unterschritten hätte.

Rettungswege über Außentreppen

Laut MSchulbauR/Schulbaurichtlinie Thüringen (ThürSchulbauR) muss mindestens einer der beiden baulichen Rettungswege zu einem notwendigen Treppenraum führen (ThürSchulbauR 3.1 Rettungswege allgemeine Anforderungen). In Weimar führen jedoch beide Rettungswege über Außentreppen ohne eigenen Treppenraum. Das ist in diesem Fall möglich, weil der Austritt aus dem Lerncluster in den Laubengang so ausgebildet wird, dass er wie ein Austritt ins Freie bewertet wird. Die verwendeten Materialien stellen einen freien Rauchabzug aus diesem Bereich sicher: Boden mit Gitterrost und Außenverkleidung mit Metallgewebe von mindestens 2 cm × 2 cm Maschenweite können frei durchströmt werden.

Die Treppenräume gehen ohne Barriere in den Bereich der Balkone über. Es wird sichergestellt, dass in dem Bereich der Treppenräum keine Einbauten vorhanden sind, die – auch wenn sie nichtbrennbar sind – dazu einladen könnten, weitere (auch brennbare) Gegenstände aufzustellen, die den Rettungsweg einschränken.

Allgemeine Anforderungen an Fluchttreppen

Durch die Muster-Schulbau-Richtlinie (MSchulbauR 4 Treppen) benötigen Schulgebäude zwei bauliche Fluchtwege und damit auch notwendige Treppenräume. Die Mindestanforderungen an diese Treppenräume entsprechen einer Alltagsnutzung.

  • Breite von Treppen
    Die nutzbare Breite von notwendigen Treppen muss mindestens 1,20 m je 200 darauf angewiesener Benutzerinnen und Benutzer betragen. Ab 2,40 m Treppenbreite müssen Zwischengeländer eingefügt werden. Notwendige Treppen dürfen keine gewendelten Läufe haben.
    (MSchulbauR 3.4 und 4)

  • Zwischenpodeste
    Nach höchstens 18 Stufen sollte ein Zwischenpodest angeordnet sein. (GUV-I 561 Treppen, 3.1.4)

  • Steigungsverhältnis
    Treppenformel 2 s + a = 59 cm bis 65 cm, wobei s = Steigung nicht mehr als ≤ 17 cm, a = Auftritt nicht weniger als ≥ 28 cm betragen darf (DGUV Vorschrift 81, § 9). Diese Formel findet sich ohne die genannten Einschränkungen auch in der DIN 18065. Üblicherweise liegt die Steigung zwischen 15 und 17 cm und der Auftritt zwischen 29 und 31 cm.

  • Handläufe
    An Treppen und Rampen sind an beiden Seiten Handläufe erforderlich. Handläufe müssen für den jeweiligen Benutzerkreis gut erreichbar sein und müssen so geformt sein, dass sie ein sicheres Umgreifen ermöglichen. Handläufe sollten in einer Höhe von 85 cm angeordnet werden. Dadurch sind sie barrierefrei ausgebildet und sowohl für Erwachsene als auch für Kinder gut erreichbar. Handläufe sind gut greifbar, wenn sie im Querschnitt rund oder oval ausgebildet sind. Der Durchmesser sollte zwischen 30 und 45 mm betragen. Handläufe sind so auszubilden, dass ein Hängenbleiben an ihnen ausgeschlossen werden kann.

  • Geländerhöhen und Blickbezüge
    Umwehrungen müssen mindestens 1,1 m hoch sein. (MSchulbauR 3.4 & 4) Zu beachten ist, dass diese Höhe für kleine Kinder nicht zu überschauen ist. Umwehrungen sollten daher so ausgeführt werden, dass Sichtbeziehungen und Kommunikation zwischen Geschossen möglich sind.

  • Stufenausbildung
    Treppen müssen nach MSchulbauR Tritt- und Setzstufen haben. Offene Setzstufen oder unterschnittene Trittstufen sind nach DIN 18040-1 Treppen unzulässig. Die Kanten von Treppenstufen müssen gefast oder leicht abgerundet sein. Der Radius muss mindestens 2 mm betragen.

  • Erkennbarkeit
    Von besonderer Bedeutung für die Sicherheit sind eine gute Erkennbarkeit der Treppenstufen und insbesondere der Stufenkanten. Durch farblich unter[1] schiedliche Gestaltung von Trittstufe und Setzstufe oder farbliches Abheben der Stufenkanten wird die Erkennbarkeit günstig beeinflusst.

  • Rutschfestigkeit
    Für Außentreppen gelten erhöhte Anforderungen an die Rutschfestigkeit. Die Bodenbeläge müssen rutschhemmend ausgeführt sein und ihre Rutschhemmung auch bei Nässe behalten. Die Rutschfestigkeit der Bodenbeläge muss mindestens der Bewertungsgruppe R 11 oder R 10 V 4 entsprechen. Insgesamt muss auch die Eis- und Schneefreiheit gegeben sein, damit die Rutschfestigkeit muss auch im Winter garantiert werden kann.

  • Beleuchtung
    Verkehrswege im Freien müssen ausreichend beleuchtet sein. Insbesondere in den Wintermonaten reichen die natürlichen Lichtverhältnisse zumindest in den Morgen- und Abendstunden hierfür nicht aus.

Wirtschaftlichkeit

Wie werden die spezifische Anforderungen im Projekt wirtschaftlich und nachhaltig gelöst?

Kosteneffizienz ist für jeden Schulbau ein wichtiges Ziel. Dabei gibt es viele Wege, um Wirtschaftlichkeit im Projekt und entlang der Anforderungen zu realisieren.

Reine Erschließungsflächen minimieren

Cluster und offene Lernlandschaften sind wirtschaftliche Organisationsformen, weil horizontale Erschließungsflächen durch Mehrfachnutzung weitgehend in die pädagogischen Programmflächen integriert sind. Exemplarische Referenzbeispiele zeigen, dass gegenüber Klassenraum-Flur-Schulen der Anteil der Verkehrs-, Technik- und Nebenflächen von 66 % auf 53 % reduziert werden kann (vgl. Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland, hg. von Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Bund Deutscher Architekten, Verband Bildung und Erziehung, Bonn/Berlin 2022, S. 77-80).

In Weimar führt die Entscheidung für eine kleinteilige Baustruktur aus drei einzelnen Baukörpern zu einer Vervielfachung der baulichen Treppenräume. Für jedes dieser Häuser werden nach Musterschulbaurichtlinie zwei bauliche Treppenhäuser benötigt, was sich zunächst ungünstig auf das Verhältnis der Verkehrsflächen zu den Programmflächen auswirkt. Um die Baukosten gering zu halten, werden die Treppenhäuser mit sehr geringen Baustandards erstellt. Sie werden in den Außenraum gelegt und bleiben somit unbeheizt. Die Treppenläufe werden in ein einfaches vorgelagertes Stahlgerüst eingehängt, das unverhüllt bleibt. Der industrielle Charakter einer materialsparenden Konstruktion wird bis in die Laufflächen mit verzinkten Gitterrosten fortgeführt. Die wirtschaftliche Betrachtung der vertikalen Erschließung wird somit zu einem entwurfsbestimmenden Aspekt. Im Innern der Cluster dagegen sind die Erschließungsflächen – bis auf den Windfang – in die pädagogische Programmfläche der Mitte integriert. Flure sind in der Schule also nicht mehr vorhanden.

Verhältnis von Nutzflächen zu Neben und Verkehrsflächen nach DIN 277

NUF 1–6 = 4396,5 m²

NUF 7 + VF + TF = 1714,9 m²

Verhältnis = 39 %

Bei diesem Verhältniswert ist zu beachten, dass sich etwa 93 % der Verkehrsflächen im Außenraum befinden und als einfaches Stahlgerüst ausgeführt werden.

SOS WEI LPH4 Flaechenberechnung.pdf

Baustandards von Fluchttreppenhäusern

Der Anteil an Erschließungsflächen ist im Schulbau besonders hoch, weil rechtlich zwei bauliche Rettungswege vorgeschrieben sind. Weil diese notwendigen Flächen nicht in ihren Dimensionen reduziert werden können, besteht die Zielsetzung darin, die vertikale Erschließung, welche nicht zugleich als Aufenthaltsraum genutzt wird, in ihrem Bau- und Ausführungsstandard reduziert zu betrachten. Das ist möglich, indem die notwendigen Treppenräume dem Außenraum zugeordnet und somit aus den beheizbaren Flächen ausgeklammert werden.

Gestaltung

Welche ästhetischen, kulturellen und gestalterischen Aspekte prägen das Konzept?

Gestaltung ist eine zentrale Qualität im Schulbau. Sie hängt wie der gesamte Entwurf eng mit den Anforderungen und dem Programm zusammen. Und sie kann hochwertig sein, ohne mehr zu kosten als eine "Standardlösung".

Die horizontalen Erschließungswege sind weitestgehend in die Lernflächen integriert sind und werden daher gestalterisch durch die pädagogischen Flächen definiert.

Die vertikalen Erschließungswege dagegen, welche keine Repräsentationsfunktion und nicht den Anspruch eines Aufenthaltsraumes haben, sondern reine Durchgangsorte sind, werden entsprechend reduziert mit industriellem Charakter gestaltet. Wichtig sind Belichtung und Ausblicke, insbesondere von den Podesten. Die Treppen werden in die Fassadengestaltung miteinbezogen und sind Teil der Struktur, die sich um die Lernhäuser legt und auch die Balkone beinhaltet.

Referenzen

#Außenbalkone: Vier Grundschulen in Modularer Bauweise, München (D), Wulf Architekten, 2017 #Erschließung in pädagogische Fläche integriert: Lernatelier Alemannenschule Wutöschingen (D), Doris Fratton, 2012

Projektstorys und Planschrank

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